Geschichten Zeit

Maus und Havaneser

Vor zwanzig Jahren, fast zwanzig … entschloss sich mein Leben sich zu ändern. Nicht dass es langweilig gewesen wäre, immer dasselbe zu tun oder Lehrerin zu sein oder in Winterthur zu leben. Es war erfüllt. Meine Zeit als Lehrerin war erfüllt, meine Zeit den Familienberuf weiterzutragen war vorbei. Was hat das mit der Geschichtenzeit zu tun? Ich schlug ein neues Kapitel auf und begann neue Geschichten zu schreiben. Die erste begann mit: Ich wurde Kunsttherapeutin und Körpertherapeutin. Endlich konnte ich das, was mir immer am meisten Freude gemacht hatte auch als Lehrerin zu meinem Lebensinhalt machen. Welten gestalten- schreibend, spielend, erzählend, Wege suchen- entdeckend, sehend, malend, Herausforderungen (früher hiess das Fehler) als Sprungbrett für das Neue erleben- gestaltend, tröstend, beruhigend. Was heisst denn das „Kunsttherapeutin oder Intermediale Therapie? Naja, das ist ein anderes Thema, vielleicht morgen, vielleicht übermorgen.

Heute, heute gehts um die Maus. Zwei Geschichten, ganz vom Anfang meines neuen Lebenkapitels.

Die kleine Maus 1

Die kleine Maus lief über den roten Teppich.

«Wie hübsch du doch aussiehst. Lauf doch nochmals über mich.» Aber oh je, die kleine Maus liess einen klitzekleinen Mausekegel liegen.

Das störte den Teppich doch sehr. «Husch, husch, husch, geh weg!»

So lief die kleine Maus zum Käse.

«Guten Tag, Herr Käse.» «Guten Tag, Frau Maus, schön, dass sie sich Zeit für ein Gespräch mit mir nehmen.»

«Darf ich ein wenig an ihnen knabbern?, fragte die kleine Maus und biss sich gleich ein kleines Stückchen ab. Das störte den Herrn Käse aber sehr.

Husch, husch, husch lauf besser weg, kleine Maus.

Die kleine Maus traf eine grosse Pfütze. Platschediplatsch schwamm die Maus durch die Pfütze und zerstörte dabei den Wasserspiegel. Das störte die Pfütze sehr, aber eh sie sich umsah, war die kleine Maus schon husch, husch, husch verschwunden.

Da traf ein Schuh die kleine Maus.

Und die kleine Maus störte nie wieder.

Die kleine Maus 2

Die kleine Maus lief über den roten Teppich. «Wie hübsch du doch aussiehst. Lauf doch nochmals über mich.»

Aber oh je, die kleine Maus liess einen klitzekleinen Mausekegel liegen. Das störte den Teppich doch sehr. «Husch, husch, husch, geh weg!»

Die kleine Maus blieb wie angewurzelt stehen, drehte sich zum Teppich um und starrte ihn ungläubig aus ihren Kugelaugen an: «Warum soll ich wegen meinem winzigen Kegelchen nicht mehr zu dir passen?»

Verschämt schüttelte der Teppich seine Fransen und schob sich dem Mäuschen vor die Füsse: «Du hast recht. Wie kleinlich von mir. Es ist schön, wenn du über mich läufst. Ich spüre deine Füsschen gern.»

Zufrieden lief die kleine Maus zum Käse. «Guten Tag, Herr Käse.» «Guten Tag, Frau Maus, schön, dass sie sich Zeit für ein Gespräch mit mir nehmen.»

«Darf ich ein wenig an ihnen knabbern? , fragte die kleine Maus und biss sich gleich ein kleines Stückchen ab. Das störte den Herrn Käse aber sehr. Husch, husch, husch lauf besser weg, kleine Maus.

Erstaunt blinzelte die kleine Maus dem Käse zu. Da grümmelte der Käse in seine Löcher hinein: «Wenn du mich nicht vollständig auffrisst, könntest du  ja durchaus ein wenig an mir knabbern.» So plauderten die Beiden über das Käsereifen, den Mäusehimmel, über rote Teppiche und über den Schuh, in dem die kleine Maus schlief und der ihr immer wieder Angst einjagte.  Während dieser Zeit knabberte die Maus eine wunderschöne Spur durch seinen Leib.Als sie sich verabschiedete, überfiel den Käse sogar ein bisschen Wehmut übers nicht mehr Beknabbertwerden. Doch als er in sich seine Spur spürte, wurde er stolz und auch glücklich. Er  war jetzt ein ganz besonderer Käse.

Uebermütig traf die kleine Maus bald auf eine grosse Pfütze. Platschediplatsch schwamm die Maus durch die Pfütze und zerstörte dabei den Wasserspiegel. Das störte die Pfütze sehr, aber eh sie etwas plätschern konnte, fühlte sie die Bewegung in sich. Das war neu und sie genoss dieses unerwartete Leben, das durch die Maus in ihr entstanden war.

Die Maus aber traf den Schuh, ihren Schuh aus dem Keller, ihren Schlafangstschuh, dieser Schuh, in den sie mit sieben weiteren Mäuschen hineingeboren wurde und der sie nicht losziehen lassen wollte, weil er dann doch  zu einsam sei und überhaupt ihr als Geburtsort gedient habe. Ihr Schuh, der es aber auch liebte ihr Angst einzujagen, ihr drohte mit der dicken Sohle sie plattzudrücken. Doch bevor der Schuh sie nun heute in sich hinein locken oder sie mit der dicken Sohle bedrohen konnte, rannte die kleine Maus zum roten Teppich. Dieser freute sich sehr und als der Schuh ihr nachrennen wollte, stolperte dieser über den Mausekegel. Die Maus aber versteckte sich im Käse und sprang ganz unerwartet aber energisch in die Pfütze. Der Schuh wurde innen und aussen klitschenass. Er erschrak. So hatte er das Mäuschen noch nie erlebt. Die Maus kannte keine Angst mehr vor ihm. Im Gegenteil, sie stellte sich vor ihm auf ihre Hinterpfoten und pfiff in den höchsten Tönen:

«Schluss mit der Angst, du böser Schuh! Von nun an suche ich mir den Schlafplatz selber aus und du kannst im Keller verfaulen und warten, bis sich  die Motten deiner erbarmen und dich auffressen. Ich brauch dich nicht mehr!»

Die kleine Maus bedankte sich beim roten Teppich, beim Käse und bei der Pfütze, um sich dann auf den Weg in ihr neues Leben zu machen. Sie hinterliess noch viele Spuren und hatte keine Angst verjagt zu werden. Aber die Schuhe, in denen sie sich schlafen legte, suchte sie sich ganz genau aus.

Katharina Juni 01

Und du? Welche Geschichte liest, schreibst, denkst du? Mit mir? Mit wem? Mit uns?

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